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AUS ALLERBESTEM HAUSE

Internationale Kooperation in Zeiten des Krieges?

urkrainische Brille

In der Woche vor Pfingsten besuchte uns der gesamte 10. Jahrgang des Gymnasiums Rissen für jeweils eintägige Seminare. Die langjährige Kooperation mit der bilingualen Schule in unserer Nachbarschaft stand diesmal unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine. In deutscher und englischer Sprache konzentrierten wir uns vor allem auf die Möglichkeiten und Grenzen internationaler Kooperation in der aktuellen Situation.

Auf der Spur der Russischen Ideologie

Tobias Fella ist Spezialist für russische Außen- und Sicherheitspolitik, schreibt in der taz und der Neuen Züricher Zeitung und eröffnet an diesem Tag den Seminarteil zur Ukrainekrise.

„Im russischen Narrativ wird der Westen als weich, post-heroisch, als innerlich verrottet und kaputt betrachtet“, doziert Fella. Wenn Schüler*innen Fragen einwerfen, geht er direkt darauf ein, integriert Anekdoten, webt Details aus Geheimdienstberichten mit ein, erinnert sich an spannende Tür-und-Angel-Gespräche. „Die russische Armee kommt aus strukturschwachen Gebieten des Landes, während Moskau und St. Petersburg, dort wo die Eliten sitzen, quasi keine Kriegstoten zu beklagen haben.“ Das Muster ähnele dem der US-amerikanischen G.I.s im Vietnamkrieg. Wie so oft werde ein Krieg auf dem Rücken der Ärmeren ausgetragen.

Fella macht überdies auf die Verletzlichkeitserfahrungen der russischen Kultur durch tiefe Zäsuren wie den Millionen Kriegstoten im Zweiten Weltkrieg aufmerksam. Die Jugendlichen sind gebannt, bewerten die diskursive Begegnung mit Fella später als ihr Tageshighlight.

NATO, Russland und die Ukraine

Willkommen

Auch Dirk Schmittchen, Bereichsleiter Sicherheitspolitik im HAUS RISSEN konnte sich Zeit für die Jugendgruppen nehmen. Er konzentrierte sich vor allem auf das westliche Militärbündnis und dessen Wahrnehmung durch die russische Staatsführung. Besonders interessant fanden die Schüler*innen Fragen zur militärischen Taktik. Hier konnten sie Dinge erfahren, die in der medialen Berichterstattung nur eine untergeordnete Rolle spielen und so neue Einblicke und Perspektiven gewinnen.

Ist der UN-Sicherheitsrat ein Unsicherheitsrat?

Dieser Frage ging Julika Stenzel in Ihrem Vortrag nach. Dabei ging es vor allem darum, zu verstehen, wie internationale Zusammenarbeit derzeit organisiert ist und wie diese Strukturen historisch gewachsen sind. Deutlich wurde auch mit Blick auf den aktuellen Krieg, dass die Vereinten Nationen ihrer Aufgabe, Frieden und Sicherheit für allem Menschen zu gewährleisten, nur bedingt gerecht werden. Die Schülerinnen und Schüler kritisierten vor allem die Machfülle einzelner Staaten und die Ohnmacht der UN angesichts des russischen Angriffskriegs.

Eine Weltorganisation für die Zukunft

„I have a dream“ – auch in 2022 wissen die Schüler*innen sofort, von wem dieser Ausspruch stammt. Und für Visionen ist es höchste Zeit, denn im Schatten der Ukrainekrise treten globalpolitisch die Probleme offen zutage, vor denen beispielsweise ein UN-Sicherheitsrat steht, wenn er Frieden sichern möchte, doch schon am (formal leider legitimen) Veto der Kriegstreibenden scheitert.

Wie muss sie also aussehen, die funktionsfähige Weltorganisation für die politische Gegenwart? „Woop!“, sagen die Rissener Schüler*innen – und das bedeute „World Organization of Peace“. Dabei stehe eine fairere Stimmverteilung proportional zur Bevölkerung der Mitgliedsstaaten im Zentrum, der aktive Rat sei zudem nicht mit Amtsträgern aus den Regierungen besetzt und laufende Kriege würden vom Abstimmungsrecht per se ausschließen.

Eine andere fiktive Organisation setzt auf Anreize für friedliches Verhalten nach dem Prinzip der Nudges. Eine weitere erklärt die Neutralität zum eigenen Dogma, muss sich im Anschluss jedoch kritische Fragen, etwa nach der Haltung in einem Bürgerkrieg, gefallen lassen.

Schülergruppe mit klarem Fokus

Auffallend präsentiert sich eine Schülergruppe, die eine Art Weltgenossenschaft konzipiert, mit klarem Fokus auf Arbeitnehmerrechte und Kinderschutz. Die „UCT“ („United-Come-Together“) wiederum will diplomatische Verhandlungen absolut setzen und jede Kriegshandlung zwischen zwei Nationen unter sofortige Sanktionen stellen.

Andere Gruppen legten den Fokus auf die Bekämpfung von Kriegsursachen wie Hunger, Wassermangel oder den Klimawandel. Wieder andere setzten auf ein einheitliches Handelssystem mit einer gemeinsamen Währung für die Welt, um die Folgen eines Angriffskriegs für den Aggressor untragbar zu machen.

Auch der kantsche Traum von einer vereinten Welt mit einem von allen Menschen gewählten Parlament fehlte nicht. Die Ideen für neue Formen der Kooperation liegen auf dem Tisch und die Notwendigkeit enger internationaler Zusammenarbeit war unter den jungen Leuten unumstritten.

Wertschätzung und Dankbarkeit

Am Ende der Workshops bezeugen viele Schüler*innen, dass der kreative Ansatz ihnen besonders gefallen hat, um politische Grundstrukturen, Relationen, Weltanschauungen und Abhängigkeiten besser zu verstehen.

Unser Dank gilt dem Gymnasium Rissen, für die treue Zusammenarbeit auch in den vergangenen, schwierigen Jahren und den Schülerinnen und Schülern des 10. Jahrgangs für ihre kreativen Ideen!

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