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AUS ALLERBESTEM HAUSE

Dirk Schmittchen – UkraineNach langer Vorbereitung starteten russische Streitkräfte in dieser Woche den Krieg gegen die Ukraine an mehreren Fronten. Als Begründung gibt der Kreml an, die Ukraine „entnazifizieren“ und einen „Genozid“ im Osten des Landes an russischstämmigen Menschen verhindern zu wollen.

Dieser Krieg stellt eine eindeutige Verletzung des Völkerrechts dar und ist klar als das zu bezeichnen, was er ist: ein Angriffskrieg gegen einen souveränen und unabhängigen Staat. Begleitet wird der Feldzug von Propaganda- und Desinformationskampagnen, und der eigenen Bevölkerung wird vermittelt, dass die Ukraine und die USA der Aggressor sind und russische Truppen eine „Friedensmission“ durchführen. Proteste in Russland selbst werden brutal unterdrückt.

Russland ist bereit, für seine Ziele hohe Risiken einzugehen

Die Geschwindigkeit, mit der russische Militäreinheiten das Land überrennen, mag überraschend erscheinen, ist jedoch in Anbetracht der Modernisierung der russischen Streitkräfte in den Bereichen Ausrüstung, vernetzte Gefechtsführung, Kommando- und Kommunikationsstrukturen sowie Cyberwarfare, wie sie seit dem Georgien-Krieg 2008 zu beobachten ist, nicht verwunderlich. Eine unmissverständliche Ankündigung der Invasion war daher in den zurückliegenden Wochen der Truppenaufmarsch an den Grenzen zur Ukraine sowie im Süden Weißrusslands, den fälschlicherweise bis zuletzt viele westliche Beobachter als Muskelspiel Moskaus interpretierten, um politisches Kapital aus den militärischen Drohgebärden zu schlagen.

Russland zeigt deutlich, dass es bereit ist, für seine Ziele höhere Risiken einzugehen und größere Kosten in Kauf zu nehmen. Dabei zielt Moskau auf nicht weniger als die Revision der Nachkriegsordnung in Europa. Dem westlichen Verständnis staatlicher Souveränität unabhängig von der eigenen Größe und Machtposition, des Selbstbestimmungsrechts der Völker und des Rechts aller Staaten, seine Bündnisse und seine Außenpolitik selbst zu wählen, steht ein imperiales Verständnis Moskaus gegenüber, nach dessen Lesart der postsowjetische Raum die natürliche Einflusszone Russlands ist und Staaten wie die Ukraine, aber auch die baltischen Staaten, über keine nennenswerte Souveränität verfügen.

Moskau stellt die gesamte europäische Sicherheitsarchitektur in Frage

Russland zerstört damit die europäische Nachkriegs- und Friedensordnung. Ein Eckpfeiler dieser Ordnung ist die Absage an gewaltsame Grenzverschiebungen. Russland selbst stimmte 1994 im Rahmen des Budapester Memorandums bei der KSZE-Konferenz diesem Prinzip zu und verpflichtete sich, die Souveränität der Ukraine und die bestehenden Grenzen zu achten. Begleitet von geschichtsrevisionistischen Begründungen verletzt Moskau dieses Prinzip nun und stellt damit die gesamte europäische Sicherheitsarchitektur in Frage.

Da die Ukraine kein Mitgliedsstaat der NATO ist, greift Artikel fünf des Nordatlantikvertrags nicht, und ein militärisches Eingreifen der NATO in der Ukraine ist nicht zu erwarten. Umso wichtiger ist es nun jedoch, die Geschlossenheit des Bündnisses mit allen Mitteln zu demonstrieren. Eine Verletzung der Souveränität Polens oder der baltischen Staaten wäre ein Angriff auf alle NATO-Staaten. Moskau muss glaubwürdig abgeschreckt werden, und die NATO muss deutlich machen, dass jede Aktion gegen einen Mitgliedsstaat der NATO die Überschreitung einer roten Linie wäre.

Präsident Putin sieht militärische Gewalt als legitimes Mittel an

Hierzu muss auch die Bundesrepublik Deutschland mit der Bundeswehr beitragen. Die Friedensdividende nach dem Ende des Kalten Krieges nach der Auflösung des Warschauer Paktes im März 1991 ist aufgebraucht, und Moskau verdeutlicht unmissverständlich, dass es militärische Gewalt nicht als Ultima Ratio, sondern als legitimes Mittel zur Durchsetzung eigener Machtinteressen versteht. Die chronische Unterfinanzierung der Bundeswehr wird zum sicherheitspolitischen Wagnis, schränkt sie die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr zur gemeinsamen Verteidigung seiner östlichen Partner doch erheblich ein.

Die Bundesregierung sollte nun Deutschlands Verteidigungsbereitschaft und Resilienz gegen russische Aggressionen – auch im Kampf um die Deutungshoheit der Geschehnisse – stärken und solidarisch an der Seite der Bündnispartner in der nordatlantischen Allianz stehen. Eine Abschreckung Russlands muss glaubhaft und tragfähig sein.

Unsere Solidarität gilt der Ukraine

HAUS RISSEN steht an der Seite der nordatlantischen Allianz und teilt deren Werte des Selbstbestimmungsrechts der Völker, der staatlichen Souveränität und territorialen Integrität sowie des Bekenntnisses zu demokratischen und völkerrechtlichen Normen. Unsere uneingeschränkte Solidarität gilt der Ukraine und den Menschen im Land.         

Autor:

Dirk Schmittchen, M.A.

Stellvertretende Geschäftsführung und Bereichsleiter Sicherheitspolitik

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